Zurück nach Alta
Wir fahren an der finnisch – norwegischen Grenze entlang und können auf der anderen Seite der Tana bereits Finnland sehen. Die Situation ist für Grenzübertritte derzeit nicht so leicht, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass wir 2 Wochen in Quarantäne müssen, wenn wir einreisen. Weil wir auch noch nicht wissen, ob wir von Finnland aus weiterkommen, entscheiden wir uns dafür noch eine Weile in Norwegen zu bleiben. Also suchen wir uns einen Rastplatz für die Nacht. Der Weg sollte laut Karte eigentlich bis an den Fluss führen, aber es liegt noch zu viel Schnee, um ihn zu erkennen. Weil wir auch schon etwas Schnee vor uns hergeschoben haben, bleiben wir doch etwas weiter oben stehen.
Über Nacht hat es wieder geschneit, aber wir schaffen es trotzdem ohne Probleme wieder auf die Straße. Für uns geht es jetzt wieder in Richtung Norden. Weil wir das letzte Mal einfach nur durchgefahren sind, wollen wir zurück nach Alta. Wir haben sehr viele Tipps für Stellplätze, Wanderrouten und Kletterfelsen bekommen und wir hoffen, dass wir das alles entdecken können.
Als wir auf dem Weg in Kárášjohka tanken, werden wir das erste Mal direkt von einem Anwohner angesprochen, der uns fragt wie und wann wir eingereist sind. Er sagt, dass es in der Region viele alte Menschen gibt und deshalb alle sehr beunruhigt und vorsichtig sind. Wir erklären ihm die Situation und er scheint zufrieden. Wir sind aber gespannt ob uns wieder die Polizei einen Besuch abstattet. In dem Ort befindet sich das Parlament der Samen, dem indigenen Volk im Norden Fennoskandinaviens. Die Kultur und die Geschichte der Sámi wird uns noch einige Male begegnen, aber das hier zu erklären würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen.
Wir fahren auf einen kleinen Rastplatz etwas außerhalb des Ortes und gehen dort ein wenig im Schnee spazieren. Auch hier gibt es wieder einen Unterstand mit Sitzmöglichkeiten und einer Feuerstelle. Die Flüsse sind langsam eisfrei und auch der Schnee trägt nur noch an den von den Schneemobilen verdichteten Stellen gut.
Weil wir nicht den ganzen Weg bis nach Alta durchfahren wollen, suchen wir uns nach etwa 150 km wieder einen ruhigen Platz an einem Flusslauf. Hier können wir wieder ein paar Vögel beobachten und verbringen trotz der Nähe zur Straße eine ruhige Nacht.
Kurz vor Alta gibt es eine Wanderroute auf den Raipas. Dort befindet sich einer der 34 Vermessungspunkte des skandinavisch-russischem Meridian-Bogens (Struve-Bogen). Einen weiteren dieser Punkte haben wir bereits in Hammerfest gesehen. Der Parkplatz ist recht groß, weil es hier viele Ferienhäuser und Stellplätze für Dauercamper gibt, aber es ist trotzdem ruhig. Eigentlich dachten wir, dass wir wandern gehen können, aber hier liegt noch so viel Schnee, weshalb wir es wohl auf Langlaufski probieren werden.
Und wieder hat es über Nacht geschneit, also wird aus der Wandertour wirklich eine Tour auf Langlaufski. Die Schuhe für die Ski hatten wir schon verstaut, weil wir dachten, dass die Saison nun wirklich vorbei ist, schließlich haben wir schon Mitte Mai. Wir machen uns auf den Weg und kommen an ein paar schönen und einsamen Sommerhäusern vorbei. Das erste Stück kommen wir gut voran, allerdings legt der Wind ordentlich zu und je weiter wir auf den Berg kommen desto schwieriger wird es. An einigen Stellen werden wir durch den Wind wieder zurückgedrückt. Leider können wir auch die Aussicht nicht so sehr genießen. Die Abfahrt geht recht schnell und es macht sich langsam bemerkbar, dass wir verschiedene Bremstechniken geübt haben. An einer Stelle müssen wir dann aber doch auf die unkonventionelle Art, also hinfallen, bremsen, weil eine riesige Herde Rentiere auftaucht. Wir warten und genießen das Schauspiel. Zwei Sámi auf Schneemobilen begleiten die Herde. Die Abfahrt ist dann noch sehr abenteuerlich, weil durch die Fußspuren der Rentiere der Untergrund sehr aufgewühlt ist und wir den verschiedenen Hinterlassenschaften ausweichen müssen.
Wir fahren weiter nach Alta und wollen schauen ob vielleicht ein Campingplatz geöffnet ist, weil wir gelesen haben, dass eine Öffnung seit einer Woche möglich ist. Wir fahren zum Alta Strand Camping und werden dort nett begrüßt. Der Platz ist nicht sehr groß, aber es ist auch noch nicht viel los. Wir können hier alles nutzen, Toiletten und Duschen, eine Wäscherei, Trinkwasserversorgung und sehr gutes WLAN. Wir machen uns gleich daran unsere Wäsche zu waschen und ausgiebig zu duschen. Währenddessen hört es sich so an als ob ein Helikopter direkt vor der Tür landet. Und das hat er auch getan. Es werden nur ein paar Sachen abgeholt und dann fliegt er wieder los. Hier ist es eben auch ein relativ normales Transportmittel, da einige Regionen durch den Schnee oder beispielsweise Erdrutsche abgeschnitten sein können und so trotzdem mit dem Notwendigsten versorgt werden können.
Die Sonne geht nun nicht mehr unter. Für uns ist es noch etwas ungewohnt, aber für die Menschen hier ist es ganz normal. Das merken wir daran, dass unser Nachbar in seinem Ferienhaus gegen 1 Uhr nachts damit beginnt die Reifen an seinem Auto zu wechseln.
Der 17. Mai ist in Norwegen der Tag der Verfassung und wird groß gefeiert. Wir sehen überall Norwegen-Fahnen und die Leute sind festlich gekleidet. Einige Autos erinnern uns sehr an die Dekorationen während einer Fußball-Meisterschaft. Auf dem Weg zu einem Kletterspot der etwas außerhalb liegt, sehen wir viele Menschen die mit Campingstühlen an der Straße sitzen und uns zuwinken. Auf einem Supermarktparkplatz steht eine Gruppe, die Musik macht. Es ist einiges los auf den Straßen, was schon ein wenig ungewohnt ist.
Der Weg zum Kletterspot Himmeldalen ist mit dem Auto noch nicht befahrbar, weil noch über einen Meter Schnee liegt. Deshalb holen wir auch hier wieder unsere Ski raus und erkunden die Umgebung. Als wir gerade versuchen den Weg an die Wand zu finden, hören wir lautes Hupen und Sirenen aus Richtung der Hauptstraße. Wahrscheinlich ist dort sowas wie ein Umzug gestartet. Die Kletterwand ist von hier aus nicht gut erreichbar und wir können sehen, dass die Steine noch recht feucht sind, aber wir haben ja viel Zeit und wollen etwas abwarten.
Nicht weit weg vom Kletterspot finden wir einen Parkplatz am Wasser. Die Aussicht ist mal wieder wunderschön, allerdings liegt hier einiges an Müll liegt herum. Wir sammeln ein bisschen was weg und bemerken auch noch andere die anscheinend deshalb hierherkommen. Etwas später sprechen mit Jemandem, der in einem Volvo TGB (Lappländer) vorbeikommt, und er erzählt uns, dass hier gestern die Abschlussparty von der Schule war und es deshalb so aussieht. Er gibt uns auch noch einige Tipps und erklärt uns, dass wir um an den Kletterfelsen Himmeldalen zu kommen, den Weg noch weiter gehen müssen und dort sogar ein Schild den Weg an die Wand zeigt.
Erst einmal wollen wir aber den Schnee nutzen und unsere Langlaufski-Fertigkeiten noch ein bisschen ausbauen. Wir wollen einen Rundweg am Skogvannet entlang. Zwischendurch müssen wir aber die Ski ausziehen, weil kein Schnee mehr liegt. Doch gerade die Abfahrten zwischen den Bäumen sind dann wieder sehr schön und spannend. Trotz des ein oder anderem Sturzes macht es viel Spaß.
Für die Nacht haben wir uns einen anderen Stellplatz in einer schönen Bucht gesucht. Die Feuerstellen verraten uns, dass sich hier häufiger Leute zum Picknicken und Grillen treffen. Später am Abend kommen wir mit Knut und David ins Gespräch. Sie wohnen beide in Alta und erzählen ein bisschen über die Situation und wie es sich hier so lebt. Und wir tauschen ein paar lustige Reisegeschichten und Klettererlebnisse aus. Auch von ihnen bekommen wir wieder tolle Tipps für sehenswerte Spots.
Am Morgen hören wir dann ganz viele Kinderstimmen und als wir rausschauen sind wir umgeben von Kindern. Alle spielen in kleineren Gruppen am Wasser und auf den Felsen. Die Kinder sind alle etwa 6 Jahre alt und können leider noch kein Englisch und wir leider kein Norwegisch. Deshalb verlieren sie schnell das Interesse an uns.
Knut hat uns das Museum in Alta empfohlen, weil es viel über die Geschichte der Stadt und auch den Konflikten mit den Samen zeigt. Er wusste nicht genau, ob es wieder geöffnet ist, deshalb machen wir uns auf den Weg dorthin. Leider ist noch alles geschlossen und auch der Außenbereich ist mit einer Schranke versperrt. Deshalb suchen wir uns eine Wanderroute für heute raus. Unser Ziel soll der Grosovannet sein. Der erste Teil des Weges ist eigentlich ein ausgebauter Rundweg für Mountainbikefahrer*innen und geht sich deshalb sehr gut. Als wir dann von diesem Weg abbiegen wird es schnell anstrengender. Der Schnee trägt hier nicht mehr gut und so brechen wir immer wieder knietief ein. Wir gehen den Berg aber noch ein wenig hinauf und genießen eine tolle Aussicht.
Wir finden wieder einen tollen Rastplatz direkt am Altaelva. Der Platz selbst ist noch relativ eingeschneit, aber für uns wäre das leicht machbar. Leider haben andere ihre Fahrzeuge so in die Einfahrt gestellt, dass wir nicht draufkommen. Wir warten ein wenig und schauen uns um, bis dann jemand kommt und sein Fahrzeug für uns zur Seite fährt. So können wir auf diesen tollen Platz und den Abend bei einer schönen Aussicht und einem Glas Wein genießen.
Auch Alta selbst wollen wir erkunden und deshalb machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt. Wir kommen durch verschiedene Wohngebiete und überqueren auch eine größere Brücke über den Altaelva (Altaveien). Wir folgen einem Wanderweg zurück zu unserem Stellplatz. Nach etwa 3 km ist der Schnee wieder recht tief und wir versinken bei jedem Schritt bis zu den Oberschenkeln. Umdrehen ist keine Option, denn dann müssten wir insgesamt fast 15 km zurück. Also stapfen wir weiter. Wir kommen an einen tollen Platz, der als Stellplatz für Wohnmobile ausgezeichnet ist. Jetzt ist er aber auch für uns nicht erreichbar. Als wir in einem Waldstück ankommen, wird der Schnee etwas weniger und es geht sich wieder angenehmer. Wir entdecken Elche, aber sie sind schnell weg als sie uns entdecken. Zurück am Stellplatz sind wir nach etwa 20 km doch etwas geschafft. Selbst wenn wir uns noch einen anderen Platz für die Nacht hätten suchen wollen, wäre es jetzt nicht möglich gewesen. Die Einfahrt zum Parkplatz ist mehr als nur zugeparkt. Das scheint hier aber ganz normal zu sein.
Hier kommen am Morgen viele Jugendliche mit Fahrrädern vorbei und machen ein Picknick an dem Fluss. Anscheinend ist es sowas wie ein Schulausflug. Einige der Mädchen laufen um unseren Bus herum und wir können sie durch die offenen Fenster kichern hören. Als kleine Mutprobe musste dann wohl eine von ihnen am Bus klopfen, weil sie kreischend weglaufen, als wir uns bemerkbar machen.
Nun waren die Tage wärmer und wir wollen einen neuen Versuch starten die Kletterwand zu finden. Wir fahren recht früh los, weil die Ausfahrt gerade frei ist. Dort angekommen ziehen mit Klettersachen und Langlaufski los. Zwischendurch geht es einen kleinen Hügel hinunter und es ist ein ganz anderes Gefühl mit so viel Gepäck auf dem Rücken. Wir finden dieses Mal auch das Hinweisschild und kommen so leicht an die Kletterrouten. Es sind viele verschiedene Routen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Im Vorfeld haben wir uns ein paar Beschreibungen der Routen runtergeladen und probieren ein paar aus. Ein anderer Kletterer kommt an uns vorbei, allerdings geht er ein Stück weiter zu den Boulder-Routen. Es ist ein schöner und sonniger Tag und wir können zeitweise sogar nur im Shirt klettern. Die im Schatten liegenden Wände sind allerdings noch zu nass und an einer Stelle kommt das Schmelzwasser sogar als kleiner Wasserfall herunter.
Nach diesem tollen Tag fahren wir zurück zu dem Stellplatz in der Bucht. Heute ist etwas mehr los und auch hier wird der Abschluss gefeiert. Wir kommen mit ein paar Leuten ins Gespräch. In Alta gibt es einige Studierende aus anderen Ländern, die hier ihr Auslandssemester machen. Auch wenn zurzeit keine Vorlesungen stattfanden, haben sich einige doch zum Bleiben entschieden. Eine größere Gruppe feiert deshalb hier ihren Bachelor-Abschluss und andere einfach nur das Wochenende. Wir werden zum Kubb-Spiel eingeladen (Wikinger-Schach) und andere wollen alles über uns erfahren. Nicht alle sind noch nüchtern, aber es macht Spaß und wir sind froh mal wieder unter Menschen zu sein. Uns wird angekündigt, dass Valter später vorbeikommt und etwas ganz Besonderes mitbringt. Wir erfahren auch hier viel über die Sámi-people und deren Akzeptanz in der Gesellschaft, über die Arbeitslage im Land und die Menschen die hier leben. Als Valter dann endlich kommt, stellt er einen 5-Liter-Kanister mit einer durchsichtigen Flüssigkeit auf den Tisch. Hier wird der schwarz gebrannte Schnaps „Moonshine“ genannt. Wir riechen daran und wissen, dass man das nicht pur trinken darf. Es wird noch ein sehr lustiger Abend bzw. eine lustige Nacht. Allerdings müssen wir das geplante Klettern dann doch um einen Tag verschieben.
Bevor wir uns wieder auf den Weg nach Himmeldalen machen, kommen wieder ein paar Kinder, dieses Mal im Alter zwischen 4 und 5 Jahren, mit Betreuern an den Strand. Sie haben alle Signalwesten an und erkunden die Gegend. Plötzlich ist ein lauter Knall zu hören und die Kinder erschrecken sich. Sie laufen direkt zu den Betreuern und als es dann wieder einen Knall gibt, halten sie sich richtig an ihnen fest. Die Kleinen haben wohl noch nie einen Überschallknall gehört und sind zurecht beunruhigt.
Der Weg zum Kletterfelsen ist schon relativ frei von Schnee. Deshalb gehen wir dieses Mal ohne Ski los. Jetzt kommen uns auch schon häufiger Wanderer entgegen. Andere Kletterer sind aber nicht da. Weil es etwas windiger geworden ist und das Wasser des Schmelzwasser-Wasserfalls gegen die Wände gedrückt werden, müssen wir uns dieses Mal ein paar andere Routen suchen. Wir haben wieder einen tollen Tag und freuen uns, dass wir noch mal nach Alta gekommen sind.
Ein wenig Zeit wollen wir noch in Norwegen verbringen: „Norwegen taut auf“